- Ruhr-Universität Bochum
softTSense: Intelligente Abwasserreinigung auf Basis softsensorischer Echtzeitüberwachung des Feststoffgehalts
Im Projekt sofTSense wird ein Softsensor für die Ermittlung der Abwasserzusammensetzung entwickelt. Eine wesentliche Eigenschaft des Abwassers ist der Trockensubstanz-Gehalt (TS-Gehalt), der entscheidend die Fahrweise der Prozesse in der Abwasserreinigung beeinflusst. Der aktuelle Stand der Technik bei der Ermittlung des TS-Gehalts im Abwasser ist die Analyse von Proben im Labor, was zu einer starken zeitlichen Verzögerung zwischen der Probennahme und dem Ergebnis, bzw. der entsprechenden Anpassung der Fahrweise führt. Durch diese Verzögerung lassen sich die Prozesse nur schlecht auf variierende Abwassereigenschaften einstellen. Eine Echtzeitbereitstellung des TS-Gehalts ist ein wichtiger Schlüssel für den optimierten Betrieb der Abwasserreinigung, um letztendlich Kosten-, Energie- und Ressourceneinsparungen zu erzielen.
Spezialisierte Sensoren zur direkten Messung des TS-Gehalts sind ein Nischenprodukt und folglich teuer, sie haben sich darüber hinaus im Realeinsatz als wenig zuverlässig herausgestellt. Der Einsatz von Softsensorik verspricht hier primär eine Reduzierung der Kosten durch weniger aufwendige Hardware. Die zentrale Forschungsfrage besteht darin, ob mittels Softsensorik auch eine ausreichende Genauigkeit bei der Ermittlung des TS-Gehalts erreicht werden kann.
Im Allgemeinen basiert Softsensorik auf speziellen Algorithmen, die anhand eines mathematischen Modells des physikalischen Prozesses und einer einfach zu messenden Größe die tatsächlich interessierende Prozessgröße in Echtzeit ermitteln. Dafür muss die einfach zu messende Größe eine Kopplung zur interessierenden Prozessgröße aufweisen, die über das Modell beschrieben wird. Im Projekt sofTSense ist die interessierende Prozessgröße der TS-Gehalt, während das Modell und die Messgrößen noch nicht abschließend festgelegt sind, da diese Festlegung ein Teilergebnis des Projektes ist. Vielversprechende Größen sind hier vor allem die leicht zugänglichen Betriebsdaten der Pumpen in der Abwasserreinigung, die beispielsweise Druckmessungen an verschiedenen Stellen des Prozesses oder die Aufzeichnung des Motorstroms durch Frequenzumrichter quasi gratis zur Verfügung stellen.
Abbildung 1: Eine Exzenterschneckenpumpe des Projektpartners SEEPEX.
Im Projekt werden speziell Exzenterschneckenpumpen betrachtet, da diese an den relevanten Stellen in der Abwasserbehandlung eingesetzt werden. Exzenterschneckenpumpen gehören zur Klasse der Verdrängerpumpen und basieren auf dem Prinzip, eine bestimmte Menge Fluid zu kapseln und mechanisch von der Saugseite zur Druckseite der Pumpe zu befördern (siehe Abbildung 2). Gerade hochviskose und mehrphasige Fluide, wie sie in der Abwasserreinigung mit dem teilweise sehr hohen TS-Gehalt auftreten, lassen sich auf diese Weise effizient transportieren.
Abbildung 2: Das Förderprinzip einer Exzenterschneckenpumpe beruht auf einem speziell geformten Stator-Rotor Paar, das bei Rotation des Rotors Kammern ausbildet, in denen das Fluid von der Saug- zur Druckseite transportiert wird.
Im Projekt wird zunächst die Modellsynthese im Vordergrund stehen. Hier wird eine hybride Modellstruktur aus physikalischen Grundprinzipien und datengetriebenen Ansätzen gewählt, um die Vorteile beider Modellierungsansätze optimal nutzen zu können. Gerade zu den physikalischen Grundprinzipien, insbesondere zur Mechanik der Exzenterschneckenpumpe, sind aus einem Vorgängerprojekt validierte Modelle verfügbar. Für die Kopplung der mechanischen Modelle mit den Fluideigenschaften und den Strömungsverhältnissen in der Pumpe sollen maschinelle Lernmethoden eingesetzt werden, die mit den durch die Projektpartner bereitgestellten Daten parametriert werden. Wichtig ist auch hier die Kombination mit grundlegenden physikalischen Prinzipien zur Strömung in der Pumpe, um eine hohe Übertragbarkeit der Modelle zu erreichen.
Der aus den Algorithmen und Modellen entstehende Softsensor soll auf einem eingebetteten System direkt an der Pumpe laufen, um in Echtzeit die Ermittlung des TS-Gehalts für den optimalen Betrieb der Anlage bereitzustellen. Die rechenintensive Parametrierung und auch die Berücksichtigung des über der Zeit auftretenden Verschleißes werden in eine Cloud ausgelagert.
Abbildung 3: Skizze einer Exzenterschneckenpumpe und des Mikrocontrollers, auf dem die Algorithmen der Trockensubstanzschätzung ausgeführt werden. Dazu existiert die Möglichkeit des Austauschs der Daten mit einer Cloudapplikation.
Die Zusammenarbeit mit den Partnern SEEPEX und dem Lippeverband baut auf erfolgreichen Kooperationen früherer Projekte auf und führt die dort begonnenen Entwicklungen weiter.
Weitere Informationen sind auf der Website des Projekts verfügbar.