- Ruhr-Universität Bochum
Smarte Pumpen für die Digitale Schifffahrt
Der Energieverbrauch von Schiffen kann bis zu 50 % auf onboard Pumpenanwendungen zurückgeführt werden. Dabei erfolgt die konventionelle Regelung einer Pumpe mit starrer Drehzahl über Drosselventile, die Durchfluss und Förderdruck durch Anpassung der Ventilstellung und damit der Rohrreibung einstellen. Drehzahlvariable Antriebssysteme können hingegen den Pumpenbetrieb durch variable Rotationsgeschwindigkeiten anpassen. Dadurch kann gegenüber dem konventionellen Pumpenbetrieb nachweislich die Effizienz erhöht werden.
Um eine drehzahlvariable Pumpe effizient durch intelligente Regelungsstrategien betreiben zu können, ist die Kenntnis über den aktuellen Betriebszustand notwendig. Wirtschaftliche und konstruktive Faktoren limitieren allerdings häufig den Einsatz von Sensorik zur physikalischen Messung der entscheidenden Kenngrößen wie Druck oder Durchfluss. Daher soll in praktischen Anwendungen der Durchfluss häufig durch den intelligenten Einsatz von Softsensoren geschätzt werden. Eine Besonderheit der Vielzahl vorhandener Ansätze zur Durchflussschätzung ist die Einschränkung auf Pumpen mit streng monotoner Kennlinie, wenngleich in Schiffsanwendungen ca. 20 % der Pumpen nicht eindeutig umkehrbar sind.
Abbildung 1: Energieeinsparung durch Drehzahlregelung von Pumpen im Vergleich zu etablierter, ggf. manueller Drosselregelung
Im Rahmen des Projekts „Smarte Pumpen für die digitale Schifffahrt“ (SPuDiS) soll daher die Entwicklung einer smarten Pumpe, die ohne zusätzliche Sensorik eine betriebsoptimierende Prozessregelung durch integrierte Intelligenz umsetzt, erfolgen. Dabei stellt die Entwicklung von Methoden zur Durchflussschätzung bei Pumpen mit nicht eindeutig umkehrbarer Kennlinie eine zentrale Herausforderung dar. In Abbildung 1 ist dazu die prinzipielle Systemstruktur, bestehend aus Hardware-Komponenten und softwareseitiger Regelungsstruktur, abgebildet.
Abbildung 2: Struktur des Antriebssystems mit hardwareseitigen Komponenten und softwareseitiger Regelungsstruktur inkl. hybridem Softsensor
Den Kern des Softsensors soll dabei ein hybrides Modell des Antriebsstrangs bilden. Hybrid meint in diesem Zusammenhang die intelligente Kombination physikalisch-mathematischer Modelle auf Basis gewöhnlicher Differentialgleichungen mit datengetriebenen Modellen und Machine-Learning Ansätzen. Durch die Symbiose der unterschiedlichen Modellierungsansätze soll die Modellgenauigkeit bei gleichzeitiger Berücksichtigung der physikalischen Grundprinzipien über den gesamten Betriebsbereich erhöht werden.
Abbildung 3: Der hybride Softsensor kombiniert first-principles Modelle mit lernenden Blackbox Strukturen wie Neuronalen Netzen.
Ein weiteres Ziel des Projekts stellt die Schaffung der Möglichkeit zur aufwandsarmen Inbetriebnahme der softsensorbasierten Prozessregelung in der industriellen Praxis dar. Daher sollen als Messgrößen nur elektrische Signale verarbeitet werden, die über herkömmliche Frequenzumrichter verfügbar sind. Weiter soll ein modularer Modellaufbau umgesetzt werden, sodass verschiedene Kombinationen von Antriebs- und Arbeitsmaschinen entsprechend ihrer Anwendung verknüpft werden können.
Abbildung 4: Die Inbetriebnahme des Softsensors gliedert sich in off- und onsite Phasen. Während das initiale Anlernen des Softsensors beim Hersteller der Pumpe durchgeführt wird, findet die bedeutendere Lernphase in der realen Umgebung an Bord des Schiffes statt.