- Ruhr-Universität Bochum
Effizienzsteigerung beim Betrieb von Kreiselpumpen
Viele Kreiselpumpen laufen in einem energetisch nicht optimalen Betriebspunkt, weil aufgrund des Kostendrucks die für den effizienten Betrieb nötige Sensorik eingespart wird. Die wichtigste Messgröße für den Pumpenbetrieb ist der Durchfluss, da sich hierüber nicht nur der Betriebspunkt, sondern auch Verschleiß oder Beschädigungen detektieren lassen. Dedizierte Durchflusssensoren sind jedoch teuer und würden nicht selten den Preis der Pumpe verdoppeln.
Abbildung 1: Links: Pumpen tragen zu einem großen Teil zum elektromotorischen Energieverbrauch in der Europäischen Union bei [1]. Rechts: Der Durchfluss stellt mit Abstand die wichtigste Prozessgröße dar [2]. Die Kombination der jeweils bedeutenden Anteile verdeutlicht den Stellenwert des effizienten Pumpenbetriebs mittels virtueller Durchflusssensorik. [1] de Almeida A., Fonseca P., Falkner H. and Bertoldi P.: Market transformation of energy-efficient motor technologies in the EU, Energy Policy, Vol. 31, pp. 563–575, 2003 ; [2] Desborough, L., & Miller, R. (2002, January). Increasing customer value of industrial control performance monitoring-Honeywell’s experience. In AIChE symposium series (No. 326, pp. 169-189). New York; American Institute of Chemical Engineers; 1998.
Virtuelle Sensorik als Schlüssel zum effizienten Pumpenbetrieb
In Zusammenarbeit mit den Pumpenherstellern Brinkmann Pumps und Herborner Pumpentechnik wird am Lehrstuhl für Regelungstechnik und Systemtheorie virtuelle Sensorik entwickelt, die eine nahezu kostenneutrale, voll integrierte und daher für den Betreiber der Pumpe sehr attraktive Lösung zur Bestimmung des Durchflusses und damit einen Startpunkt zur Effizienzoptimierung darstellt. Virtuelle Sensoren kombinieren mathematische Modelle der Pumpe und des Antriebs mit regelungstechnischen Beobachtern, die aus vorhandenen Messgrößen auf unbekannte Größen oder Parameter schließen können. Eine einfach zu ermittelnde Messgröße ist bei Pumpen der Motorstrom, der von den meisten Frequenzumrichtern „gratis“ gemessen und bereitgestellt wird. Über den bestehenden Zusammenhang zwischen Motorstrom durch Durchfluss kann dieser dann berechnet werden.
Abbildung 2: Grundprinzip der virtuellen Sensorik: Eine aufwendig zu messende Größe (hier der Durchfluss) wird nicht direkt gemessen, sondern mittels einfacher zu messenden Ersatzgrößen (hier Motorstrom und Frequenz) und einem mathematisch-physikalischen Modell des Systems berechnet.
Neue Ansätze für komplizierte Anwendungsfälle
Eine geringe Auflösung und Genauigkeit der Messung, stark nichtlineare Systemmodelle und partiell nicht beobachtbare Systeme stellen die wesentlichen Herausforderungen in dem genannten Projekt mit Brinkmann Pumps und der Herborner Pumpentechnik dar. Als algorithmische Basis wird ein erweitertes Kalmanfilter als hybrider Zustands- und Parameterschätzer verwendet, wobei der Durchfluss hier als unbekannter Parameter berechnet wird. Mit einem zusätzlichen Tracking des Durchflussparameters kann auch bei nicht eindeutiger Kennlinie, die die Anwendung virtueller Sensorik theoretisch ausschließt, eine Durchflussberechnung realisiert werden.
Weitere Anforderungen werden durch das eigebettete System gestellt, das die virtuelle Sensorik an der Pumpe integriert und mit der eingeschränkten Rechenleistung einer speicherprogrammierbaren Steuerung eine sehr effiziente Programmierung der Algorithmen erfordert.
Abbildung 3: Links: Struktur des virtuellen Sensors, bestehend aus einem erweiterten Kalmanfilter und einem Detektionsalgorithmus für den Kennlinienbereich. Rechts: Die Ergebnisse des virtuellen Sensors an einer realen Pumpe zeigen eine zuverlässige Berechnung des Durchflusses trotz wiederholtem Durchfahren der nicht eindeutigen Kennlinie.